Montag, 27. März 2017

Wir Menschen sind schon grausame und schreckliche Wesen oder auch: The Plague Dogs Review

In seinem bewegenden Nachruf für Richard Adams kam der bekannte Schriftsteller George R. R. Martin auch kurz auf seine Leseerfahrung mit The Plague Dogs zu sprechen: "THE PLAGUE DOGS, also has some wonderful sections... though it is such a dark, depressing, angry, gut-punch of a novel that I can't say I 'enjoyed' it." Wenn das der Autor von "A Song of Ice and Fire" sagt, die als eine der düstersten Fantasy-Serien gilt und George R. R. Martin allgemein (wenn auch in meinen Augen zu Unrecht) dafür verschrieen wird, die sympathischsten Charaktere rigoros auszulöschen, so sagt das schon einiges.
The Plague Dogs ist mehr als eine Anklage an die Grausamkeit der Menschen gegenüber Tieren, die Objektifizierung von Tieren durch Menschen zu sehen. Während Adams bei seinen beiden Vorgängerromanen Watership Down und Shardik eine gewisse Distanz zum Geschehen herstellt - die auch absolut normal ist für fiktive Werke - so schimmert hier immer wieder deutlich seine eigene Meinung durch und er spricht direkt zum Leser oder klagt die menschlichen Figuren an. Richard Adams wollte also eine Botschaft loswerden, die er durchaus auch als Essay oder Artikel in einer bestimmten Zeitung oder Zeitschrift hätte verfassen können. Primär geht es ihm um die Sinnlosigkeit von Tierexperimenten und welchen unvorstellbaren Leiden die Tiere ausgesetzt sind und das Tiere in Massen dafür sterben müssen. Erwählt dann doch den Weg mit dem er das größte Publikum erreicht, er schreibt einen Roman, eine fiktive Geschichte.
Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Hunde, Snitter und Rowf. Letzterer wird für ein Experiement in Überlebenskonditionierung immer wieder in einen Wassertank geworfen, bis er beinahe ertrinkt, ehe er von den Wissenschaftlern gerettet wird. Die untersuchen lediglich sein Verhalten, ob er länger durchhält und ob er merkt, dass er immer wieder im letzten Moment gerettet wird. Noch schlimmer ergeht es Snitter. Der Foxterrier, welcher früher (im Gegensatz zu Rowf, der ein Straßenköter gewesen zu sein scheint) ein Herrchen hatte, wurde am Gehirn operiert, sodass er nicht in der Lage ist subjektive Eindrücke von objektiven Eindrücken zu unterscheiden. Immer wieder hat er Wahnvorstellungen von denen er denkt, sie seien wahr, obwohl sie nur Fantasie sind.

Die tierischen Protagonisten

Die Firma in der die beiden Hunde gehalten werden heißt Animal Research Scientific and Experimental, kurz ARSE. Schon dieses Akronym, welches nichts anderes als "Arsch" bedeutet zeigt überdeutlich, was Richard Adams von solchen Tierversuchslaboren hält. Zwei menschliche Protagonisten werden dort in den Mittelpunkt gestellt, Dr. Boycott, ein renommierter Doktor auf dem Gebiet, und Stephen Powell, der noch am Anfang steht. Auch das ist eine Besonderheit von The Plague Dogs. Neben den Hunden gibt es zahlreiche menschliche Protagonisten, die für Adams teilweise ungewöhnlich facettenreich und komplex dargestellt werden, dazu jedoch später.
Durch die Unachtsamkeit einer Helfers, der die Hunde füttert, können Snitter und Rowf aus ihren Zwingern entkommen. Bei dem albtraumhaften Gang der beiden durch das Labor lässt sich Adams nicht die Chance entgehen, auf die Sinnlosigkeit der Tierexperimente einzugehen. So klagt er an, dass hunderte Brieftauben sinnlos dafür leiden müssen, um zu sehen, wie sie bei unterschiedlichen Bedingungen reagieren. An Ratten werden Seuchen und Krebsforschung betrieben, was später für die beiden Hunde noch fatale Folgen haben wird. Und auch Kaninchen, Oktopusse, Meerschweinchen und Mäuse werden im Namen der Wissenschaft sinnlos umgebracht, grausam gequält oder anderweitig misshandelt. Besonders betont Adams dabei die Doppelmoral der Beteiligten, die alle gläubige Menschen sind, jedoch solche grausamen Taten verüben.
Durch den Verbrennungsofen entkommen die beiden schließlich in die Freiheit. Hier stellt sich jedoch die Frage, was die Freiheit für die beiden überhaupt bereitstellt? Adams gelingt es sehr gut zu zeigen, dass die beiden domestizierte Tiere sind. Ihre Konstante ist der Mensch, denn beide haben den (Irr)glauben dem Menschen zu dienen. Rowf ist dabei deutlich pessimistischer eingestellt, er hatte nie ein Herrchen und die "whitecoats" haben ihn immer nur in den Tank gesperrt, ohne das er verstanden hat warum. Snitter ist da positiver eingestellt, denn er weiß, dass es gute Menschen gibt, die Herrchen, und das die "whitecoats" keine Herrchen sind. Sie müssen also Herrchen finden, was ihr Ziel ist. Für sie gibt es jedoch ein weiteres Problem: Sie landen in einer ländlichen Gegend mit viel Natur. Interessant ist zu sehen, dass beide, die wohl definitiv im städtischen Umfeld mit Parks, Gehwegen und Häusern aufgewachsen sind, mit den Wiesen und Feldern und Hügeln im Lake District nichts anfangen können. Es geht sogar so weit, sodass sie glauben, der Mensch hätte die Welt, wie sie sie kennen, vernichtet.
Selbstverständlich finden sie keinen Anschluss an irgendwelche Menschen und entscheiden so, als der Hunger sie quält, dass es am besten wäre zu Wildtieren zu werden. So fangen sie an Schafe zu reißen. Das erregt natürlich schnell die Aufmerksamkeit der einheimischen Bauern, doch die beiden Hunde bekommen unerwartete Hilfe. Ein Fuchs zeigt ihnen ihre Fehler auf, den sie machen und bietet ihnen ein Deal: er wird ihnen helfen sich lautlos wie Wildtiere vor den Menschen zu verbergen, wenn er im Gegensatz dafür von ihrer Beute etwas abbekommt. Adams entscheidet sich - wie auch bei einigen der menschlichen Protagonisten - den Fuchs in einem Geordie-Dialekt sprechen zu lassen, den er auch lauttechnisch niederschreibt. Das hat es für mich, als Nicht-Englischsprechender ungemein schwer gemacht den Fuchs zu verstehen. Daher hat sich das Lesen auch hingezogen, denn nebenbei musste noch intensive Recherche betrieben werden, um einen Sinn aus dem Gebrabbel des Fuchses zu ziehen. Er jedoch ist sehr pragmatisch eingestellt und bei dem kleinsten Fehltritt der beiden Hunde, verlässt er sie sofort, kommt jedoch immer wieder in der Geschichte zu ihnen zurück.

Vom Ausbruch zur nationalen Krise

Während die Hunde auf der einen Ebene mit ihrem Überleben in der Wildnis zu kämpfen haben, bauscht sich auf der anderen Seite der Ausbruch der Hunde immer weiter auf bis er zu einer nationalen Krise wird. Die Gelegenheit nutzt Adams, um zwei weitere Parteien anzugreifen: die Regenbogenpresse und die Politik.
Nachdem die Hunde ausgebrochen sind, entscheiden die Wissenschaftler zunächst den Vorfall zu vertuschen und nichts zu unternehmen. Jedoch schon bald werden die Bauern alarmiert durch die gerissenen Schafe und der Besitzer eines Bekleidungsgeschäftes, organisiert schließlich eine Jagd auf die beiden Hunde durch die lokale Bevölkerung. Dieser Mr. Ephraim ist eine der zahlreichen interessanten Persönlichkeiten. Er kommt zu fällig in Kontakt mit Snitter und statt ihn zu erschießen, sieht er dessen riesige Wunde am Kopf und hat spontan Mitleid mit ihm. Mr. Ephraim ist nämlich ein Überlebender des Holocaust, welcher alle seine Verwandten verloren hat. Dieses Mitleid wird ihm jedoch zum Verhängnis. Als Snitter in Aufregung gerät, springt er zufällig auf das entsicherte Gewehr von Ephraim, der durch den Schuss genau in den Kopf getroffen wird. Sowohl für Snitter als auch für die Menschen hat das fatale Folgen. Snitter glaubt fortan, dass alles was passiert gar nicht in Wirklichkeit passiert, sondern in seinem Kopf stattfindet und er für alles Leid verantwortlich ist, was passiert. Dabei kommt auch seine tragische Geschichte zum Vorschein. Sein Herrchen wurde von einem Laster angefahren, weil dieser Snitter vor selbigem retten wollte. Snitter geht daher davon aus, dass sein Herrchen tot ist. Es ist schließlich die Schwester seiner Herrchens, welche ihn dann an das Tierversuchslabor verkauft hat.
Der seltsame von Mr. Ephraim, der jedoch dennoch, weil es Zeugen gab, die Snitter weglaufen sehen, wird den Hunden in den Schuhen geschoben. Das ruft die Klatschpresse auf den Plan und so kommt ein weiterer Protagonist hinzu, Digby Driver von der fiktiven Zeitung London Orator. Digby Driver ist wohl der menschliche Protagonist, der am meisten Hintergrund und Komplexität von allen bekommt. Er ist ein egoistischer, eigensinniger und kaltherziger Mensch, der mit Absicht die Wahrheit verzerrt, um die Bevölkerung besser zu emotionalisieren. Ein Aspekt, der um so besser in die heutige Zeit passt. Er jedenfalls hat zwei Ziele: das Tierversuchslabor schlecht dastehen zu lassen, weil sie den Ausbruch der beiden Hunde nicht bestätigt haben und die Politiker, welche ARSE finanziert haben, dafür zur Rechenschaft ziehen. Durch Glück und Zufall kommt er mit Stephen Powell in Kontakt, der ihm unbeabsichtigt Informationen preisgibt, unter anderem, dass die Hunde durch einen Trakt gelaufen sind, wo auch Seuchen erforscht werden. Digby Driver konstruiert daraus eine Geschichte, wonach die Hunde Träger der Beulenpest sind.
Das verursacht eine mittlere Krise, die beiden Hunde werden konsequent gemieden und ARSE bestätigt nun doch den Ausbruch der Hunde, schweigt jedoch darüber, ob sie wirklich Träger der Seuche sind. Schließlich ruft es auch die Politik auf den Plan, welche bald darüber diskutiert, ob die Ausgaben für Tierexperimente wirklich so schlau angelegt waren, weil sich großer Widerstand in der Opposition rührt. Zuvor kommt es jedoch zu einem weiteren schrecklichen Zwischenfall: die ausgehungerten Hunde überfallen ein parkendes Auto, weil sich auf dem Rücksitz Lebensmittel befinden. Dessen Fahrer will persönlich die beiden zur Rechenschaft ziehen und macht sich auf zur Jagd. Als er Rowf an einem Steilhang im Visier hat, wird er jedoch von Snitter überrascht und stürzt in den Tod. Die zu dem Zeitpunkt dem Hungetod nahen Hunde, fressen natürlich an dessen Leiche. Daraufhin eskaliert die Sache endgültig und es wird sogar ein Fallschirmbataillon hingeschickt, um die Hunde endlich zu erledigen.

Das zu glückliche Ende

In seiner traurigen Konsequenz hätte die Geschichte ein sehr schreckliches Ende nehmen können, was Richard Adams anscheinend sogar ursprünglich so intendiert hatte. Von den Menschen bedrängt, fliehen die Hunde ins Meer. Rowf überkommt dabei sogar seine Angst vor Wasser, weil Snitter eine Insel sieht, wo sie in Frieden leben können.
Durch den Editor bedrängt, ändert jedoch Adams den Schluss, denn ursprünglich sollte die Geschichte wohl so enden wie der spätere Film: die Hunde schwimmen im Meer, werden immer schwächer, doch sie machen weiter und es bleibt offen, was aus ihnen wird. Das wäre tatsächlich ein starkes, emotionales Ende gewesen. Adams hingegen entscheidet sich für ein seltsames Happy Ending: das Herrchen von Snitter lebt noch, er wurde nur schwer verletzt bei dem Unfall und von Digby Driver, der sich auch zum Besseren wandelt, zu der Küste gefahren, wo die Hunde ins Meer gegangen sind. Zwei auch real existierende Naturforscher Sir Peter Scott und Ronald Lockley, beides sehr gute Freunde von Richard Adams, finden die beiden im Meer und können sie retten. Am Ende wird Snitter mit seinem Herrchen verein und auch Rowf findet ein Zuhause. Dieses Ende passt nicht so ganz zu dem extrem düsteren Ton, welches die Geschichte nahezu durchgehend anschlägt. Ich würde sogar fast die Theorie äußern, dass die Rettung der Hunde und die Wiedervereinigung von Snitter mit seinem Herrchen erst nach dem Tod der beiden passiert und sie im Himmel angekommen, endlich von ihren Leiden erlöst sind.

Fazit

Eine weitere starke Geschichte von Richard Adams, welche jedoch keine leichte Kost ist. Viele Ausschweifungen, ein schwer verständlicher Geordie-Dialekt und für einen Nicht-Einheimischen verwirrende Landschafsbeschreibungen machen das Lesen an manchen Stellen umständlich schwer. Nichtsdestotrotz bleibt die Botschaft sehr stark hängen: Die Sinnlosigkeit von Tierexperimenten und das wir als Menschen die Tiere nicht nur als Objekte und unsere Sklaven betrachtet sollten, sondern als Lebewesen mit einem Bewusstsein für welche wir in gewisser Weise auch verantwortlich sind.

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