Mittwoch, 29. März 2017

H. P. Lovecraft: Polaris (1918)

Zu den großartigen Autoren, die hier in diesem Blog gewürdigt werden sollen, gehört auf jeden Fall H. P. Lovecraft. Der amerikanische Autor kann praktisch als Vater des übernatürlichen Horrors bezeichnet werden, der, wenn auch zu Lebzeiten nicht berühmt, viele heute weltweit bekannte Autoren im Bereich Horror und übernatürliche Begebenheiten stark beeinflusst hat.

Die Kurzgeschichte Polaris ist dabei eines seiner früheren Werke und wurde 1918 geschrieben und 1920 veröffentlicht. Hier wird die Geschichte eines Mannes beschrieben, der in einem Traum in eine marmorne Stadt versetzt wird, die er zunächst als körperloser Beobachter wahrnimmt, später aber wichtiger Bestandteil der Stadt ist.
Diese Stadt, Olathoe, die bewohnt wird von den Lomerianern wird von einem Stamm, den Inutos angegriffen. Dem Protagonisten kommt dabei die Aufgabe zu, weil er nicht gut kämpfen kann, als Späher zu fungieren und Alarm zu schlagen, wenn die Inutos zwischen den Bergen auftauchen. Jedoch schläft er, beeinflusst durch den Polarstern ein und findet sich in der "Realität" wieder, wo er ein einfaches Haus an einem Sumpf bewohnt. Auch hier scheint der Polarstern, doch die Botschaft, die er in seinem Traum noch klar verstanden hat, dass er erst wieder zurückkehren kann in seine alte Vergangenheit, wenn der Polarstern seine Runde gedreht hat, verblasst hier und lässt ihn mit einer gewissen Hoffnungslosigkeit zurück, da in dieser Welt ihn keiner zu verstehen scheint und nur verspottet.

Diese Kurzgeschichte behandelt auf sehr interessante Art und Weise eine große Thematik vieler Lovecraft-Geschichte: die Vermischung von Traum und Wirklichkeit. An einer Stelle fragt sich der Protagonist, ob das einfache Haus an dem Sumpf indem er lebt, wirklich die Realität ist, denn wie kann er beweisen, dass es die Realität ist und nicht doch die Stadt Olanthoe. Das ist ein sehr interessantes Konzept, welches auch den Leser zum Nachdenken anregt und man sich fragt, ob der Protagonist nur eine zu blühende Fantasie hat oder manchmal in seinen Träumen Kontakt mit einer alten Inkarnation von ihm aufnimmt. Oder ob der Polarstern nicht wirklich ein grausames Spielchen mit ihm treibt.
Interessant ist auch die erste Erwähnung der pnakotischen Manuskripte, die in späteren Geschichten noch sehr wichtig sein werden. Kritisiert wird die Geschichte hingegen für die abwertende Beurteilung der Eskimos oder wie sie politisch korrekt heutzutage genannt werden, die Inuit. Die Traumwesen der Inutos werden als "squat, hellish, yellow fiends" bezeichnet und auch die Beschreibung der realen Eskimos ist sehr abschätzig. Jedoch sollte hier, wie bei allen Lovecraft-Geschichten, der Kontext beachtet werden. Er schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts, als die USA noch weit entfernt war von Martin Luther King und Rassismusdebatten, Political Correctness und Gender-Mainstream.
Mich zumindest hat diese Geschichte angeregt noch Weiteres von Lovecraft lesen zu wollen.