Mittwoch, 23. November 2016

Watership Down Kapitel 4: The Departure

Eingeleitet wird dieses Kapitel mit einem Zitat aus einem der bekanntesten  Dramen von Shakespeare: Hamlet. Es betrifft den jungen König Fortinbras von Norwegen, welcher hier als kampfunerfahren dargestellt wird, jedoch den Tod seines Vaters rächen will, in dem er eine Gruppe gesetzloser Abenteurer zusammenstellt, um gegen Dänemark zu ziehen. In einer ähnlichen Position findet sich auch Hazel wieder, auch wenn das Politische außen vorgelassen werden kann. Hazel sammelt auch wagemutige und unerfahrene Abenteurer für eine ungewisse Expedition.

In gewisser Weise werden in diesem Kapitel die wichtigsten Protagonisten alle eingeführt. Es kommen zwar später noch einige dazu, aber die Kerngruppe auf die es ankommt steht. Zuvor jedoch erleben wir wieder den Wissenschaftler, welcher über das Zeitgefühl der Tiere (und auch der Kaninchen referiert). So hätten sie keinen wirklichen Sinn für Pünktlichkeit (im übrigen laut dem Autor wäre das primitiven Leuten ähnlich), wüssten aber aufgrund einer inneren Telepathie wann es Zeit zum Aufbruch ist. Verglichen wird das mit dem Vogelflug in den Süden, wobei die Vögel sich zuerst sammeln, zaghaft in kleineren Gruppen umherfliegen und sich schließlich in einem riesigen Schwarm Richtung Süden bewegen. Laut Adams liegt das daran, dass sie sich eher als Teil einer Gruppe denn als Individuen verstehen.
Adams vergleicht das noch mit einem historischen Beispiel: dem Ersten Kreuzzug nach Antiochia. Eine Passage, die von Christen mit Sicherheit sehr kritisch gesehen werden kann, denn sie stellt den Kreuzzug als einen Akt von primitiver Intuition dar, welcher nur dem Gruppenzwang folgt und keinen eigenen Gedanken bezüglich eines solchen Unternehmens verschwendet. Geschickt verpackt ist hier eine Religionskritik von Adams.
Unterstrichen wird das noch durch das Beispiel mit den Lemmingen, welche auch durch einen Gruppenzwang in das Meer getrieben werden. Jedoch handelt es sich hierbei um einen Mythos, welcher besonders durch Disney gefördert wurde und durch wissenschaftliche Untersuchungen längst wiederlegt wurde. Zwar unternehmen Lemminge bei großem Artendruck lange Wanderungen, jedoch ohne dabei Massensuizid zu begehen. Es sterben einige von ihnen bei einer solchen Wanderung, was jedoch durchaus verständlich ist und eher auf Nahrungsmangel zurückgeführt werden kann. Die Szenen aus dem Film von Disney wurden im übrigen so konstruiert. Viele Lemminge wurden an diese Klippe gebracht und durch einen Truck praktisch dazu gezwungen von der Klippe zu springen, um so spektakulärere Aufnahmen zu haben. Als Watership Down erschienen ist war dieser Mythos möglicherweise noch nicht wiederlegt worden, weshalb Adams hier die Lemminge als Beispiele verwendet.

Die Kaninchen finden sich wirklich nach Monduntergang zusammen. Das erste neue Mitglied welches wir dabei kennenlernen ist Pipkin oder Hlao, der beste Freund von Fiver, welcher ähnlich wie er ein "runt" ist. Interessant ist die Namenserklärung von Hlao, was eine Mulde bezeichnet, wo sich Tau ablagert. Eine sehr abstrakte Form der Namensgebung, für mich nur auf die Größe Pipkins zurückzuführen. Bei "pipkin" selbst bietet mir das Wörterbuch "kleiner Tonkrug" an, wohl kaum eine Bezeichnung, die ein Kaninchen verwenden würde. 
Pipkin ist jedenfalls ähnlich ängstlich wie Fiver und hat große Angst davor mitzugehen. Seine Zusage erfolgte eher zögerlich und erst als er entschieden hat sich immer dicht an Hazel und die anderen zu halten. So gesehen wäre Pipkin unmöglich in Frage gekommen, wenn er nicht ein Freund von Fiver gewesen wäre.
Ein weiteres Kaninchen welches sich ihnen anschließt ist Hawkbit. Er hat eine kurze gemeinsame Geschichte mit Hazel. Beide haben sich während des letzten Winters für fünf Tage einen Bau geteilt. Hazel schätzt Hawkbit eher als langsam und dumm ein und empfand auch seine Gesellschaft als auch eher nervend. Hazel weiß jedoch, dass persönliche Vorbehalte ihn nicht beeinflussen sollten, da womöglich alle Kaninchen, die sie überzeugen können Outskirter sein werden - außer natürlich die von Bigwig. Obwohl Hazel hier abwertend über ein Mitglied seiner neu entstehenden Gruppe denkt, zeigt es dennoch schon seine Stärke als Anführer, er lässt sich von persönlichen Vorbehalten nicht beeinflussen. Im übrigen ist ein "hawkbit" eine Löwenzahnart.
Mit Dandelion, dem stillen Teilnehmer der letzten Gruppe, kommt das nächste Mitglied hinzu. Er berichtet, dass er nur Hawkbit rekrutieren konnte, weil ihn Toadflax erwischte und nicht glauben wollte, dass er nur Kaninchen sucht, die den Bau verlassen. Toadflax vermutet eine Verschwörung gegen den Threarah. Aus dem Grund hat Dandelion kein weiteres Kaninchen gefragt. Hazel beteuert ihm jedoch, richtig gehandelt zu haben. Es ist interessant zu sehen, wie Toadflax als Fiesling und kleinere Bedrohung ihres Unternehmens dargestellt wird. Er repräsentiert all das was Hazel an der Owsla ablehnt.
Als Nächstes kommt Blackberry und er hat mehr Erfolg als Dandelion und gleich drei Kaninchen im Schlepptau. Eines Buckthorn (Kreuzdorn) haben wir bereits schon im ersten Kapitel kennengelernt. Er ist ein vielversprechendes Kaninchen, welches mit Sicherheit der Owsla beigetreten wäre, wenn es das entsprechende Gewicht bekommen hätte. Jedoch hat Hazel in Gedanken auch Bedenken: er kennt Buckthorn als ungeduldig und würde er bei einem Kampf um ein Weibchen den Kürzeren ziehen, würde er das sehr übel aufnehmen. Für die Gefahren, die vor ihnen liegen, ist Buckthorn jedoch wie Bigwig von großem Vorteil.
Die beiden anderen Mitglieder sind Acorn (Eichel) und Speedwell (bezieht sich womöglich auf die Pflanze Gamander-Ehrenpreis), zwei Halbjährige, die vermutlich ähnlich wie Blackberry aus Frustration darüber mitgehen, dass sie aufgrund ihrer Größe eher wenige Vorteile in Sandleford genießen. Letztere drei eint ein trauriges Schicksal: Sie werden in keine der beiden Watership-Down-Adaptionen dabei sein.

Zumindest Speedwell und Acorn hätten Fiver in seinem früheren Zustand erwartet, sodass er unaufhörlich von Tod und Verderben spricht. Jedoch hat der Entschluss zum Aufbruch Fiver wieder beruhigt und eine Last von ihm genommen. Ein interessanter Aspekt.
Später kommt auch noch Bigwig hinzu mit einem ganz besonderen Kaninchen: Silver. Ein junges Mitglied der Owsla, welcher ein Neffe des Threarah ist und besonders durch seine Fellfarbe hervorsticht. Bereits an früherer Stelle ging hervor, dass Kaninchen mit edler Abstammung bevorzugt werden. Im Falle von Silver hat sich das jedoch ins Gegenteil verkehrt. Auch er ist unzufrieden mit seiner Situation in der Owsla, denn er wird von den anderen drangsaliert, welche behaupten er hätte seine Stellung nur aufgrund seiner Abstammung bekommen. Hazel hat bezüglich Bigwig und auch Silver eine zwiespältige Meinung, zum einen ist er froh, denn Owsla-Mitglieder werden für die Gruppe bei Gefahren besonders hilfreich sein, zum anderen befürchtet er sie würden die Schwächeren wie Pipkin oder Fiver solange drangsalieren bis diese die Gruppe verlassen würden. Hazel will genau das um jeden Preis vermeiden. Das bringt ihn wieder in einen Zwiespalt, denn zum einen will er jedes Kaninchen vor der drohenden Gefahr schützen, zum anderen möchte er keine Kaninchen wie Toadflax in seiner Gruppe haben. Letzterer symbolisiert für ihn alles, was er an der Owsla und ihrem System nicht mag.
Bigwig ist jedoch zufrieden mit seiner Wahl, auch wenn er gerne noch mehr gehabt hätte, doch diese sind mit ihrer jetzigen Position zufrieden. Er selbst kommt bei der kleinen Anzahl der Gruppe ins Zweifeln, ob der Exodus überhaupt eine gute Idee ist. Durchaus verständlich, denn immerhin setzen sich hier nur zehn Kaninchen den Gefahren aus, die in der freien Natur außerhalb ihres Geheges drohen.

Im nächsten Moment erreicht sie jedoch die Owsla unter der Führung von Captain Holly und zwei weiteren Kaninchen. Wir erleben das was Hazel vorhergesehen hat: Bigwig wird Ärger bekommen, weil er aus der Owsla desertiert ist sowie Silver, Hazel und die anderen jedoch nicht. Mit der Begründung Unruhe und Aufruhr zu stiften wird Bigwig unter Arrest gestellt, Silver weil er seine Pflichten als Mitglied der Owsla verletzt hat. Jedoch ist Bigwig nicht bereit sich zu fügen und greift Holly direkt an, ein Beweis seiner Impulsivität. Als die anderen beiden Mitglieder Holly helfen wollen, greifen Buckthorn und Dandelion in den Kampf ein und jagen diese beiden Kaninchen relativ schnell in die Flucht. Interessant, dass ihnen das gelingt, wo sie doch zwei Mitgliedern der Owsla gegenüberstanden. Das unterstreicht schön den Willen von Hazels Gruppe um jeden Preis aufzubrechen.
Schließlich greift Hazel ein und hier erleben wir ihn das erste Mal wirklich als Anführer. Er droht Holly ihn zu töten, wenn er nicht verschwindet. Holly ist zunächst verblüfft und versucht Hazel klarzumachen was das zu bedeuten hat (vermutlich den Tod Hazels und seiner Gruppe), doch  Hazel bleibt bei seiner Entscheidung und Holly muss verschwinden. Hier hat sich womöglich Hazels ganzer angestauter Hass gegen die Owsla und ihre Drangsalierung entladen. Im Gegensatz zu Bigwig hat Hazel jedoch nicht impulsiv gehandelt, sondern entschlossen und direkt eine Drohung ausgestoßen. Natürlich ist sich Hazel auch der Konsequenzen bewusst, welche Dandelion ihm nennt: Die Owsla wird jetzt hinter ihnen her sein. Das bestärkt Fiver jetzt sofort aufzubrechen und womöglich war das auch in Hazels Interesse. Jetzt haben sie keine Wahl mehr zu bleiben. Sie sind eine Gruppe Gesetzloser, welcher der Tod oder Gefangenschaft erwartet, wenn sie geschnappt werden. 
Und wieder übernimmt Hazel sofort die Rolle als Anführer und gibt Anweisungen in welche Richtung sie laufen sollen. Bigwig versucht ihm einen Ratschlag zu geben, doch Hazel unterbricht ihm, dass es dringlich ist, dass sie jetzt sofort aufbrechen. Das Interessante ist, Bigwig fügt sich und zusammen mit Fiver an der Spitze führt er die Gruppe aus Sandleford Warren weg. Hazel hat damit seinen ersten kleineren Sieg errungen, wenn es darum geht wer die Gruppe anführt.

Zum Abschluss noch ein kleines Wort zu einer Sache die vielleicht erst einmal nicht auffällt, aber in der zweiten Hälfte des Buches zum großen Problem wird: Es sind keine Weibchen dabei. Dafür hat Watership Down und besonders Richard Adams große Kritik seitens von Feministen abbekommen, weil den Weibchen eher eine untergeordnete Rolle im ganzen Roman einnehmen. Dazu komme ich später näher. Jedoch aus dieser Sicht ergibt die Entscheidung Adams hier nur Böcke losziehen zu lassen durchaus Sinn auch ohne Handlungsrelevanz. Bekanntermaßen kämpfen Kaninchen um die Gunst der Weibchen. Die hier zusammengestellte Gruppe besteht jedoch bis auf Bigwig und Silver nur aus Outskirters, welche wohl kaum die Chance haben sich den Weibchen auch nur zu nähern geschweige sie denn zu überzeugen. Aus menschlicher Sicht wäre das natürlich sexistisch, wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Adams über Kaninchen schreibt und deren Verhalten gegenüber Weibchen völlig von dem menschlichen Abbild. Und ich bin in der Hinsicht ehrlich: Mir ist absolut schleierhaft und ehrlich gesagt ein Gräuel wie man Feminismustheorien in einem Kaninchenroman zur Anwendung bringen kann und dabei einen Autor als frauenfeindlich denunziert. Doch wie gesagt dazu später mehr.