Freitag, 23. Oktober 2009

3/13 The Man From Tallahassee (Erik)

Gigantisch, diese Folge ist der nächste große Höhepunkt dieser Staffel, der alles bisher gesehene in den Schatten stellt. Unglaublich gute Locke-Ben Dialoge, zusammen mit dem klärenden Flashback von Locke, so eine Folge kann nur Lost-Perfektion sein.

JACKS DEAL

Ehe ich zu den Hauptthemen dieser Folge komme, zunächst der Grund, warum sich die drei überhaupt auf den langen Weg gemacht haben. Es stellt sich heraus, dass Jack deshalb so fröhlich Football mit Tom spielt, weil er einen Deal mit Ben hat, die Insel zusammen mit Juliet zu verlassen. Das wussten wir aber schon seit "I Do" und ich dachte damals auch, Ben sieht das Versprechen als eingelöst an, als er Jack von der Hydra-Insel führt. Erst hier sehen wir wie fies und unglaublich hinterhältig Ben doch Jack ausgetrickst hat und wie wahnsinnig gut dieser Benjamin Linus doch Leute erfolgreich manipulieren kann. Mir kommt so langsam der Gedanke er wusste, dass sich Kate, Sayid und Locke auf dem Weg zu den Baracken befinden, vielleicht schon durch die Flame, vielleicht aber auch durch Samuel. So hat er es geschickt solange herausgezögert, dass Jack die Insel verlässt, bis tatsächlich die drei eintreffen und alles verderben. Kate zumindest hatte die Idee, so ist sie mit Schuld, aber Locke verhindert erst, dass sie fliehen können. Sayid ist eigentlich nur Mitläufer, die ganze Episode wirkt er zum ersten Mal nutzlos in dieser Serie, eine Figur, die sich immer mehr abnutzen wird, bis sie in Staffel 5 zur fast totalen Bedeutungslosigkeit verkommt.
Genial fand ich es schon, wie Locke besonnen und ruhig scheinbar einen guten Plan hat, bis zur Nacht zu warten, ehe sie zuschlagen. Noch denkt man er macht das für Jack, in Wirklichkeit möchte er aber an Ben ran, um das U-Boot zu sprengen. Dabei erfahren wir nun endlich auch den Grund, warum er sich wirklich an dieser Tour beteiligt hat, zum einen wollte er unbedingt Ben wieder treffen, zum anderen die nächste Möglichkeit zerstören, von der Insel zu kommen. Er ist somit in der Gemeinschaft der Others angelangt, ein weiteren Schritt von Samuels Plan ist damit erfolgt.
Bleiben wir aber erst einmal bei Jack, ich fand die Szene sehr gut gemacht, als er sich von Kate scheinbar für immer verabschiedet und sagt, er käme zurück, um sie zu retten. Es wird nur genau andersherum sein, Kate wird wieder einmal zurückkehren, um Jack diesmal wirklich zu retten.
Erstaunlich fand ich übrigens, dass er Ben nicht darum bittet, dass Kate und Sayid mitdürfen, sondern das sie freigelassen werden, nachdem er weg ist. Ich glaube unser guter Doc wollte nur mit aller Macht weg von diesem falschen Weibsstück, was mir auch seine Reaktion erklärt, als er sie in seiner Wohnung erblickt. Übrigens ein schönes Easteregg von den Autoren, dass Jack sein Thema spielt, so ist es später auch bei Ben. Weiterhin glaube ich, dass er schon vorhatte mit Juliet etwas anzufangen, immerhin sind die beiden sich schon viel näher gekommen als vorher und von ihr fühlt er sich nicht so betrogen wie von Kate. Ich denke das sind die Hauptgründe, warum Jack wirklich von der Insel will und sich nicht retten lässt.
Doch er hat die Rechnung ohne den Mastermind Ben gemacht, der ihm natürlich ein Versprechen abnimmt, von dem er genau weiß, dass er es nicht einhalten muss: "I'll let them go, just as soon as you've left the island." Was noch verrückter ist, in Staffel 4 hält er das Versprechen dann auch ein, er lässt Kate und Sayid frei, als Jack die Insel verlassen kann. Für solche Verbindungen kann man die Autoren nur lieben.
Es kommt dann zur einzigen von nur zwei Locke-Jack-Begegnungen in dieser Staffel, aber beide werden sehr einprägsam sein. Hier ist er völlig überrascht, als er Locke urplötzlich sieht, sein Kommentar aber wie zu schlimmsten Staffel 2-Zeiten: "What are you doing here, John?" Arrogant, besserwisserisch und herablassend, ohne das er weiß, dass Locke ihm gerade die Chance verdirbt, die Insel zu verlassen. Für mich ist das " I'm sorry, Jack." und "Sorry for what?" einer der weiteren großen Momente dieser großartigen Folge. Jacks enttäuschter, entsetzter Blick danach, als er merkt, dass er nicht von der Insel kann, ein Grund, warum dieser Charakter einfach dabei sein muss. Herrlich das ganze.

LOCKE UND BEN

Lost-Folgen haben normalerweise schon ein sehr hohes Niveau, was diese Serie zur besten überhaupt macht. Folgen in denen Locke und Ben zusammen interagieren, schrauben das ganze auf ein Level, an dem bisher nichts von mir Gesehenes an Schauspielerduos auch nur ansatzweise herankommt.
Es ist unglaublich gut gemacht, wie Locke mit erhobener Waffe in das Zimmer kommt, als der gelähmte Ben gerade das Licht anmacht. Sein überraschtes "John", wie als ob er völlig überrascht wäre, dass nun urplötzlich Locke vor ihm auftaucht, kaufe ich ihm immer wieder ab, so gut gespielt ist das ganze. Auch finde ich es toll, dass Ben selbst im Bett liegend noch genügend Macht ausstrahlt und auch hier die ganze Zeit über nicht einmal der Unterlegene ist. Er weiß genau, was Locke will und wie er ihn dazu bringen kann, diesen Plan auch wirklich auszuführen. Geschickt lenkt er erst mit Jack ab, doch Locke interessiert sich für diesen gar nicht, er will nur wissen wo das U-Boot ist. Richtig gut wird es aber erst, als er einen auf unwissend spielt und Locke ihm genau erklärt, woher er von dem U-Boot weiß.
Dann stößt Alex hinzu und Locke muss sich im Schrank verstecken, als die anderen Others (Hinweis das ist kein "other Others Wortwitz) die Gefangennahme von Kate und Sayid berichten wollen. Ben nutzt diese Gelegenheit, um Richard zu befehlen, den Mann von Tallahassee zu holen, Lockes Vater. Auffallend, dass Richard hier noch jeden Befehl von Ben ausführt, dieser ist also definitiv noch der von Jacob erwählte Anführer.
Natürlich war auch das von langer Hand geplant, aber nicht nur von Ben, sondern auch von Samuel und vielleicht sogar Jacob. Richard weiß natürlich durch die Zeitreisen von der Besonderheit von Locke und damit er wirklich Anführer werden kann, muss er wohl seinen Vater töten. Diesen haben die Others dann kurzerhand auf die Insel geholt, damit Locke, wenn er zu ihnen stößt, getestet werden kann. Jeder erhofft sich aber ein anderes Resultat, Ben glaubt, dass Locke versagt und nicht fähig ist, seinen Vater zu töten, sodass bewiesen wird, dass er als Anführer untauglich ist. Richard dagegen möchte einen Machtwechsel herbeiführen und will Locke mit allen Mitteln helfen, dass sein Vater verschwindet. Samuel dagegen möchte nur eins, dass Locke auf den Weg gebracht wird, den wir am Ende der Staffel sehen werden, quasi als Resultat aus Bens und Richards Hoffnungen.
Locke hat also Recht, dass dies ein Passwort ist, aber nicht das vermutete "There's a man in my closet with a gun to my daughter's head." Eine Stelle an der ich immer wieder lachen muss. Locke benutzt sie nun, damit sie das C4 holt, Ben hilft ihr auf die Sprünge, indem er vor Locke behauptet, dass sie ihn hasst und ihn als Geißel zu halten nicht sehr klug wäre. Schon unheimlich, dass er bei seinen Manipulationen selbst vor seiner Ziehtochter nicht Halt macht.
Ben möchte dann in seinen Rollstuhl für etwas Würde, in meinen Augen aber hat er selbst noch in diesem Bett genug Würde ausgestrahlt. Seine Bemerkung in Richtung Locke mit der Würde, spielt wohl auf seine Vergangenheit an, in der er alles andere als würdevoll behandelt worden ist. Dann kommt die Rede wieder auf das U-Boot und erst jetzt kommt Ben mit dem wahren Plan heraus den Locke hat, mit einer ganz einfachen Bemerkung bringt er ihn dann dazu, über seine Vergangenheit zu reden. Erst hier wurde mir bewusst, dass Ben die ganze Zeit die Überhand hatte.
Danach unterhalten sich die beiden über Lockes Wunderheilung. Natürlich versteht Ben immer noch nicht, wieso er überhaupt Krebs bekommen konnte und warum er noch immer im Rollstuhl sitzt, obwohl Jack ihn schon vor einer Woche geheilt hat. Dazu müsste man wissen von wem diese Heilungen kommen. Ich denke aber noch wie vor der Tumor kam von Jacob und die anschließend erst später vollzogene Heilung von Samuel. Er lässt Ben erst wieder laufen, als dieser Locke in seiner Gemeinschaft zumindest vorzeitig akzeptiert hat.
Interessant, dass er am Ende die Möglichkeit anspricht, dass Locke womöglich deshalb die Insel nicht verlassen will, weil er dann wieder im Rollstuhl landet. Ironischerweise passiert genau das aus einem anderen Grund, als er die Insel verlässt.
Am besten fand ich dann den Spruch von Ben, als Locke nach der Stromversorgung fragt: "We have two giant hamsters running in a massive wheel at our secret underground lair--" Für mich immer wieder überraschend, wie witzig Ben doch trotz seiner Manipulationen sein kann. Dann wendet Ben wieder einen Trick an und tut so, als würde es ihm große Probleme bereiten, wenn er das U-Boot sprengt. Seine Leute hätten dann nicht mehr die Illusion, dass sie die Insel verlassen könnten, da sie sich noch nicht voll auf sie eingelassen haben. Die Tatsache, dass außer Juliet das jeden kaltlässt, zeigt mir, dass Ben hier gelogen hat.
Was Locke dann anspricht hat auch was Wahres:
"Because you're cheating! You and your people. Communicate with the outside world whenever you want to, you... you come and go as you please... you use electricity and running water and guns... You're a hypocrite! A pharisee. You don't deserve to be on this island. If you had any idea what this place really was... you wouldn't be putting chicken in your refrigerator!"
Hier hatte ich kurz das Gefühl der Samuel in Locke spricht, in der Tat weiß Ben viel, aber was wirklich abgeht, davon hat er keine Ahnung. Gut fand ich auch den Aspekt mit der Elektrizität, denn Jacob hasst Technologie oder auch Samuel? (mehr dazu im "Man Behind The Curtain"-Recap). Besser geht es Ben auch erst, als er diese hässlichen, gelben Baracken verlässt.
Das ganze Gespräch führt dann zum ersten Höhepunkt: "Because you're in the wheelchair, and I'm not."
Dann kommt schon Alex zurück und Ben versucht ein letztes Mal, scheinbar Locke davon abzuhalten, als er die Sache mit Jack erwähnt. Natürlich ist das der endgültige Auslöser, denn nichts wäre ihm lieber als Jack die Chance zu verbauen, die Insel zu verlassen. Alex erklärt ihm dann zwar die Manipulationen von Ben, doch der merkt es immer noch nicht.
Schließlich nach der ganzen Sache erläutert Ben seinen ganzen genialen Plan und führt dann das Gespräch wieder auf seinen Unfall. Ich fand es schön widersprüchlich, dass Ben wissen wollte, wie es sich anfühlt wenn der eigene Vater einen umbringen will, da er es genau umgedreht  gemacht und seinen Vater umgebracht hat.

MAGIC BOX

Es ist auch ein besonderes Thema dieser Folge und bleibt eines der gesamten Serie, die magic box. Bekanntermaßen spielt sie eine sehr große Rolle bei Lost. Ich beziehe es auf Locke. Dieser hat ein Großteil seines Lebens in einer Verpackungsfabrik gearbeitet, in der er natürlich viel mit Boxen zu tun hat. Nach seinem Tod wird er in insgesamt zwei Boxen aufbewahrt, zum einen den Sarg, und zum anderen in der riesigen Kiste. Beide haben eine immense Bedeutung und gerade die Kiste wurde in einer Weise getragen, die an die Bundeslade erinnerte.
In dieser Folge ist die magic box jedoch rein metaphorisch, wie auch die Autoren bestätigt haben. Es geht lediglich darum, dass sich Locke etwas vorstellen kann und dies die Insel tatsächlich erfüllt. Er kontert das damit, dass sich Ben ein neues U-Boot vorstellen soll. Locke hat bei dieser ganzen Aktion aber bloß daran gedacht, dass er vor seinem Vater sicher ist. Die Insel hat ihm aber genau das Gegenteil erfüllt, er sieht ihn geknebelt auf der Insel wieder, aber mit der Absicht, dass dieser ihm bei seinem größten Wunsch überhaupt hilft, endlich einmal der Anführer zu sein. Die magic box stände in diesem Fall für die Insel, die ja selbst wie eine riesige Box von der Außenwelt wird, geschützt durch eine zeitlichen Barriere und nur ganz schwer zu erreichen ist. Genauso wie eine gut verschlossene Box nicht zu öffnen ist, wenn man den Schlüssel nicht hat. In der Tat sind auf dieser Insel so einige Dinge, die man sich vorgestellt hat. Schon gut durchdacht diese Metapher.

LOCKES FLASHBACKS

Ist Peter Talbot von Jacob geschickt worden? Möglich wäre es, zum einen sehen die beiden sich verdammt ähnlich und es ist schon sehr auffällig, dass Jacob genau weiß wann Cooper ihn aus dem Fenster stößt.
Man merkt deutlich in diesem Flashback wie sehr er an seinem Vater hängt und ihn nicht verraten will. Peter Talbot kam deswegen zu ihm, doch er schickt ihn einfach weg, daraufhin überredet er ihn, die Sache zu beenden. Schon genial, wie schonungslos er offen legt, dass er nur betrügt und Familien ruiniert. Das sehen wir zum Beispiel bei Sawyer dann. Ironischerweise wird Locke selbst noch oft genug betrogen werden und sein Leben liegt am Ende auch in Trümmern. Er deutet also schon sein eigenes Schicksal an.
Auch als Talbot dann stirbt, verrät er seinen Vater noch nicht, sondern gibt ihm eine letzte Chance. Was war das für eine bittere Ironie, als Cooper sagt: "I'm a con man, not a murderer." und eine Minute später Locke aus dem Fenster stößt. In diesem Moment wird ihm wohl erst bewusst, wie sehr sein Vater ihn doch hasst und verachtet, so sehr, dass er ihn sogar tot sehen wollte. Letztendlich ist das der Grund, warum er im Rollstuhl landet, die Tatsache, dass er zum wiederholten Male auf den gleichen Menschen hereingefallen ist, bis dieser ihn dann den Garaus machen wollte. Das gleiche passiert ihm mit Ben, auch ihm vertraut er immer wieder, bis die Konsequenz irgendwann sein Tod ist.

ANDERE CHARAKTERE

Ja die gibt es auch noch, so fällt mir auf wie viel besser mir doch Ryan als Pickett gefällt. Ein Other, der die nötige Gewalt präsentiert, ohne gleich so psychomäßig zu sein.
Tom war wohl gerade zurück von seinem New York Urlaub und hat gleich zur Begrüßung eine Runde Football mit Jack gespielt, vielleicht war das auch der Grund, warum Jack nicht gleich gefahren ist, sondern erst nach einer Woche. Wieder wäre es aber von Ben perfekt geplant worden.
Rousseaus erster Blick auf Alex war zwar eine weitere tolle Szene, doch ich verstehe nicht, warum sie die Gelegenheit nicht nutzt und einfach mal auf sie zugeht. Worauf wartet sie eigentlich noch?
Im übrigen war diese Abschiedsszene zwischen Ben und Juliet tatsächlich fast das letzte Treffen zwischen den beiden. Offenbar hat Ben seine Obsession nun überwunden.

BODYCOUNT

Peter Talbot wird ermordet, bei Locke wird es versucht. Dieser jedoch springt trotz eines solchen Sturzes mithilfe von Jacob dem Tod von der Schippe.

Summe: 65

FAZIT:
Lost, wie ich es liebe und am liebsten immer haben würde. Geniale Ben-Locke Dialoge satt, aufschlussreiche Flashbacks und einen versagenden Jack. In dieser Episode gibt es nichts, aber auch gar nichts, was noch nicht einmal in die Bezeichnung sehr gut hinabfallen würde. Und das obwohl der Handlungsort, die von mir so sehr gehassten Baracken sind. Einer der Folgen an die ich mich immer wieder zurückerinnern werde, wenn es um Sternstunden dieser Serie geht.


Nachgedanken:
- trotz der Genialität dieser Folge ist mir nichts Neues aufgefallen